Low-Dose-CT und/oder andere Diagnosemöglichkeiten?
Die Österreichische Lungenunion (ÖLU) ist seit 2020 auch Selbsthilfe-Patient:innenorganisation für Lungenkrebspatient:innen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Prävention und der Lungenkrebs-Früherkennung. Ein Screening wird in Österreich allerdings bisher nicht durchgeführt und es stellte sich die Frage, welche Informationen darüber als Patient:innenvertretung an Interessierten weitergeben werden soll, um in diesem Thema für mehr Transparenz in Richtung Patient:innen und der Allgemeinheit beizutragen.
Im Rahmen eines Round Tables im November 2023 unter der Moderation von Gundula Koblmiller, Präsidentin der ÖLU, tauschten sich führende österreichische Pulmologen und Radiologen zum Stellenwert des Lungenkrebs-Screenings bzw. der Lungenkrebs-Früherkennung mit Niedrigdosis-Computertomografie (Low-Dose-CT, LDCT) aus.
Häufigkeit von Lungenkrebs
In Österreich rangiert das Lungenkarzinom sowohl bei Männern als auch Frauen an zweiter Stelle der Krebserkrankungen und wird häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Das 5-Jahres-Überleben liegt bei unter 20 %, die Prognose ist dabei stark abhängig vom Stadium bei Erstdiagnose.1 Der Schlüssel für eine Verbesserung der Situation liegt demnach in der frühzeitigen Erkennung und das 5-Jahres-Überleben könnte dadurch auf 80 % gehoben werden.
Wie ist die wissenschaftliche Evidenz zu Früherkennungsprogrammen
Die Ziele von Früherkennungsprogrammen
- Verringerung fortgeschrittener Krankheitsstadien,
- die Senkung der Sterblichkeitsrate und
- die Erhöhung der Anzahl gesunder Lebensjahre
Ein relevantes Risiko ist dabei falsch positive Befunde, die zu erheblicher Verunsicherung der betroffenen Personen führen können. Dabei handelt es sich um LDCT-Befunde, die zunächst radiologisch als verdächtig für Lungenkrebs eingestuft werden, jedoch nach weiteren Abklärungen als gutartig (benigne) erkannt werden.
Im National Lung Screening Trial (NLST) in den USA wurde 2011 erstmals gezeigt, dass ein LDCT-Screening die relative Lungenkrebsmortalität um 20 % reduzieren kann.2 Einige Jahre später konnte in der moderneren NELSON-Studie eine geringe Risikoreduktion durch das Screening-Programm gezeigt werden.3 Aufgrund der besseren radiologischen Diagnosemodalitäten war die Rate an falsch positiven Befunden in der NELSON-Studie erfreulicherweise bereits deutlich niedriger als im NLST.
Aktuell wird in vielen europäischen Ländern an der Umsetzung von Früherkennungsprogrammen und Pilotprojekten gearbeitet. In Deutschland wird voraussichtlich 2025 ein nationales Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm starten. Im Zentralraum Tirol ist seit 2018 ein Screening-Projekt zur Lungenkrebsfrüherkennung in Planung, um die Machbarkeit in der klinischen Praxis zu evaluieren. Geplanter Start: spätestens 2025.
Ist ein Früherkennungsprogramm in Österreich aktuell machbar?
Die „Screening“-Population in Österreich analog zu den deutschen Kriterien liegt derzeit bei über 400.000 Personen, was zu großen logistischen Herausforderungen führen und die Grenze des Machbaren sprengen dürfte.
Im Vordergrund steht daher die Frage, wann und in welcher Form ein solches Früherkennungs-Programm auch in Österreich ausgerollt wird. Viele Fachgruppen arbeiten aktuell im Hintergrund an einemstrukturierten Früherkennungsprogramm, das in Österreich umsetzbar ist. Dabei geht auch um das weitere Rundherd-Management und darum, unnötigen Folgeuntersuchungen und Verunsicherungen zu vermeiden.
Den Experten zufolge stellt der ungezielte Einsatz der LDCT derzeit nicht die geeignetste Methode für eine Früherkennung dar. Einige sprechen sich für ein LDCT-Screening erst nach einem ‚Risiko-Profiling‘ etwa mittels Biomarkern, Bluttests oder Exhalat-Analysen aus.
Klare Aussagen der Experten am ÖLU-Round Table
Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin 4 mit Schwerpunkt Pneumologie, Medizinische Fakultät, Johannes-Kepler-Universität Linz; Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Wenn mich Personen kontaktieren, empfehle ich aktuell folgendes Vorgehen: Rauchstopp und bei einer Lungenfachärztin oder einem Lungenfacharzt einen Basis-Check-up durchführen, um abzuklären, ob eine Risikokonstellation und/oder wegweisende Symptomatik vorliegt. Dort wird dann abgeklärt, ob weitere Untersuchungen erforderlich sind. Ich rate davon ab, über eine Zuweisung von Hausärzt:innen zum LDCT zu kommen und dadurch wichtige Ressourcen zu vergeuden.
Gf. OA Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerlig Widmann, Geschäftsführender Oberarzt der Universitätsklinik für Radiologie, Schwerpunktleiter onkologische Bildgebung, Tirol Kliniken GmbH und Medizinische Universität Innsbruck
Starke Raucher:innen mit Lungenkrebs in der Familie haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für ein Lungenkarzinom als die Bevölkerung, die nicht raucht und keine positive Familienanamnese hat. Aufgrund des minimalen Risikos und der schnellen Durchführung würde ich diesen Personen ein LDCT geben. Die Befundung sollte allerdings von jemandem erfolgen, der in der Abklärung von Rundherden versiert ist, damit falsch positive Herde ausgeschlossen werden und keine unnötigen Sorgen entstehen. Bei einem positiven Befund sollte eine strukturierte Abklärung in einem Rundherdboard an einem Expertise-Zentrum erfolgen.
Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Klinik Floridsdorf; Leitung des Karl-Landsteiner-Instituts für Lungenforschung und Pneumologische Onkologie
Aktuell ist es schwierig, auf Basis der Evidenz asymptomatischen Raucher:innen ein CT anzuordnen, da es zurzeit im Sinne einer Früherkennung nicht bewilligt wird. Aus jetziger Sicht können wir uns nur auf symptomatische Raucher:innen fokussieren, die ein hohes Risiko für Auffälligkeiten in der Lunge haben. Diesen können wir einen niedrigschwelligen Zugang zu einem LDCT anbieten, um eine Orientierung zu bekommen.
Prim. Clin. Ass. Prof. Dr. Peter Errhalt, Leiter Klinische Abteilung für Pneumologie, Universitätsklinikum Krems; Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
Die Daten zeigen, dass kein Gesamtüberlebensvorteil besteht und die individuelle Wahrscheinlichkeit rein statistisch bei 0,9 % (absolut) liegt, dass eine Person, die in die Risikogruppe fällt, Lungenkrebs hat. Das reicht für mich nicht aus, um eine Untersuchung anzustoßen. Wenn es zukünftig Pilotprojekte gibt, könnte man sich dorthin wenden.
Prim. Dr. Rainer Kolb, Leiter der Abteilung für Lungenkrankheiten, Klinikum Wels‐Grieskirchen
Hochrisikopersonen mit familiärer Belastung und Sorgen würde ich ein LDCT durchaus ermöglichen, allerdings ist es eine Einzelfallentscheidung.
Fazit der Expertenrunde
Wenn bei positiver Familien- und Raucheranamnese Sorge besteht, sollte laut Experten bereits jetzt eine lungenfachärztliche Abklärung erfolgen, mit strukturierter Weiterversorgung in spezialisierten Zentren. Aktuell sind Pilotprojekte geplant, in denen eine strukturierte Vorgehensweise gewährleistet ist. Ein unstrukturiertes Screening im niedergelassenen Bereich empfehlen die Experten derzeit nicht. Unabhängig vom Screening sollte jedoch jede mögliche Maßnahme ergriffen werden, um mit dem Rauchen aufzuhören.
Die ÖLU bedankt sich herzlich bei den Experten und den Sponsoren dieses Round-Tables (AstraZeneca, JanssenCilag, MSD, Pfizer, Roche)
Weitere Informationen:
Lungenkrebsfrüherkennung entscheidend um Sterblichkeit zu senken
Verbesserung der Früherkennung dringend notwendig
In wenigen Schritten zum Lungenkrebs-Risikoprofil
Eine wichtige Prophylaxe für Lungenkrebs ist das „Nicht-Rauchen“.
Das Rauchfrei Telefon – mit Unterstützung rauchfrei werden
Literatur:
- Statistik Austria, online verfügbar unter: https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Krebserkrankungen_2022.pdf (zuletzt abgerufen am 23.08.2023)
- The National Lung Screening Trial Research Team, N Engl J Med. 2011 Aug 4;365(5):395–409
- De Koning HJ et al., N Engl J Med. 2020 Feb 6;382(6):503–13