Was sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, und ab wann spricht man von Allergien? Wie unterscheiden sich die jeweiligen Symptome, die Diagnosemethoden und schließlich die Behandlungen? Diese und viele weitere Fragen wurden von Petra Handorfer, BSc MSc nutr. med. Diätologin, in einem Webinar der Österreichischen Lungenunion erläutert. Für diejenigen, die nicht teilnehmen konnten, folgt hier eine Zusammenfassung.
Petra Handorfer ist Diätologin, die sich in Ihrer Praxis Diaetologie Eberharter auf Allergien und Magen-Darm-Beschwerden spezialisiert hat. Sie bietet ernährungsmedizinische Beratung und Therapie an und ist Landesgruppenleitung OÖ des Berufsverbands der DiätologInnen sowie Mitglied des Qualitätszirkels der Allergologie. Ihr umfangreiches Wissen stellte sie in einem Webinar für die Österreichische Lungenunion zur Verfügung.
In diesem Online-Vortrag erklärte die Expertin insbesondere die Unterschiede zwischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und echten Allergien. Oft wissen Patient:innen nicht, ob sie lediglich eine Intoleranz gegenüber einem Lebensmittel haben oder bereits an einer Allergie leiden. Häufig werden die Begriffe auch verwechselt oder falsch verstanden. Den meisten Menschen ist auch nicht bewusst, dass Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien auf verschiedene Weisen diagnostiziert, getestet und behandelt werden. In erster Linie gilt es also, herauszufinden, um welche Form es sich handelt. „Grundsätzlich wird zwischen immunologischen, das Immunsystem betreffenden, und nicht-immunologischen, den Verdauungstrakt betreffenden, Nahrungsmittelunverträglichkeiten unterschieden“, verdeutlicht Petra Handorfer.
Immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Bei den immunologischen Intoleranzen besteht zunächst eine allergische Hypersensitivität – eine Überempfindlichkeit des Körpers bzw. seiner Rezeptoren gegenüber bestimmten Mikroorganismen, Stoffen oder Reizen. Dann gibt es echte Allergien, die wiederum in IgE- und nicht-IgE-vermittelte Allergien unterteilt werden. Die meisten Nahrungsmittelallergien sind IgE-vermittelt, wobei das Immunglobulin E (IgE) eine wichtige Schlüsselrolle spielt. IgE ist ein Antikörper, der vor allem für die Abwehr von Parasiten zuständig ist und daher auch bei allergischen Reaktionen eine Schlüsselrolle spielt. Menschen mit Erkrankungen des atopischen Formenkreises wie Neurodermitis, allergischem Schnupfen und allergischem Asthma weisen stets einen höheren IgE-Wert auf. „Zu den am häufigsten IgE-vermittelten, sowie auch primären, Nahrungsmittelallergien zählt die Milcheiweißallergie, die vor allem bei Kleinkindern sehr häufig auftritt“, so Petra Handorfer. „Eine von dem Antikörper E unabhängige Lebensmittelallergie ist die Zöliakie. Hierbei handelt es sich um eine chronische Dünndarmerkrankung, die den Eiweißbaustein Gluten nicht verträgt.“
In die Kategorie der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien fällt auch die sekundäre Nahrungsmittelallergie, die vor allem im Erwachsenenalter auftritt. Darunter fallen auch die Pollen, die zwar keine Lebensmittel sind, aber die Hauptursache für Kreuzallergien mit anderen Lebensmitteln wie rohen Äpfeln, Karotten oder Haselnüssen darstellen. „Die Eiweißbausteine dieser Nahrungsmittel sind denen der Pollen so ähnlich, dass viele Betroffene vor allem in der Pollenzeit beim Verzehr mitreagieren.“ Am häufigsten im Erwachsenenalter ist die Pollenallergie auf Birken, Hasel oder Erle. Der Körper kommt mit dem Allergen in Kontakt, und dadurch werden die IgE-Lymphozyten angeregt, die wiederum IgE-Antikörper bilden. In weiterer Folge docken diese Antikörper an eine Mastzelle an. „Hier passiert noch keine Reaktion – erst wenn der Körper wiederholt mit einem starken Pollenzuschuss konfrontiert wird. Dadurch wird die Zelle stets mit IgE-Antikörpern angereichert, bis sie irgendwann aufplatzt und verschiedene proentzündliche Stoffe, wie u.a. Histamin, ausschüttet. Hier kommt es dann zur sofortigen allergischen Reaktion – triefende Nase, Augenjucken, aber auch Halskratzen oder Atemnot, die Symptome sind individuell verschieden,“ so Handorfer.
Nicht immunologischen Nahrungsmittelallergien
Bei der nicht allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeit handelt es sich ausschließlich um Symptome, die den Verdauungsapparat betreffen. Hier gibt es vier Erscheinungsformen. Dazu gehört die pseudoallergische Nahrungsmittelunverträglichkeit (der Darm reagiert z.B. auf bestimmte Zusatzstoffe) und die Histaminintoleranz, wenn im Körper zu viele Histamine aufgenommen werden.
Dann gibt es noch die Enzymdefekte, wie z.B. bei der Laktoseintoleranz (Milchzucker). „Bei der Laktoseintoleranz fehlen dem Darm die notwendigen Enzyme, die den Milchzucker aufspalten. Daher kommt es bei den Betroffenen zu Durchfall, Blähungen, Übelkeit – auch hier sind die Symptome wieder von Mensch zu Mensch unterschiedlich,“ schildert Petra Handorfer die Symptome.
Zu den nicht immunologischen Nahrungsmittelallergien gehört auch die Fruktosemalabsorption – als Malabsorption bezeichnet man die mangelhafte Aufnahme von Substraten aus dem bereits vorverdauten Speisebrei. Bei der Fruktosemalabsorption besteht die mangelhafte Aufnahme gegenüber Fruchtzucker (Fructose) und Alkoholzucker (Sorbit). Oft treten Fruktose- und Sorbit-Unverträglichkeiten gemeinsam auf, sie können aber auch alleine auftreten.
Diagnosepyramide Allergie vs. Unverträglichkeit
„Um festzustellen, ob es sich um eine Allergie oder eine Unverträglichkeit handelt, benötigt es zuerst in beiden Fällen eine genaue Beobachtung mit einem Ernährungstagebuch. Damit kann dann mittels einer ausführlichen ärztlichen und diätetischen Anamnese herausgefunden werden, worauf die jeweilige Person sensibilisiert ist und ob es sich um eine manifeste Allergie handelt“, erklärt Petra Handorfer die anfänglich gleichen Schritte in beiden Fällen. Steht die Diagnose einmal fest, ändert sich die weitere Vorgehensweise. „Handelt es sich um eine Allergie, dann werden Sensibilisierungstests wie z.B. der Pricktest oder der SIgE-Test durchgeführt. Handelt es sich hingegen um eine Unverträglichkeit, dann erfolgt die Austestung mittels eines H2-Atemtests oder eines Gentests.“
Auch die Therapie ist bei Allergien und Unverträglichkeiten unterschiedlich. Bei der Allergie kommt es nach den Testresultaten zuerst zu einer diagnostischen Diät und dann wieder zu einer Provokation. „Dem Körper werden nach der diagnostischen Diät wieder gezielt gewisse Mengen zugeführt. Dies ist wichtig, um herauszufinden, ab wann der Körper mit welchen Symptomen reagiert“, schildert Petra Handorfer den Vorgang. „Vor allem bei anaphylaktischen Reaktionen ist es wichtig herauszufinden, ob jenes Lebensmittel vertragen wird oder nicht.“
Die Vorgehensweise bei Unverträglichkeiten, die mit einem positiven sowie symptomatischen Atemtest einhergehen, ist eine individuelle dreistufige Ernährungstherapie: 1. Karenzphase, 2. Aufbau- und Testphase, 3. personalisierte Langzeiternährung. „Am Anfang wird während der Karenzphase – z.B. die Laktose drei bis vier Wochen streng vermieden. In der Aufbau- und Testphase gilt es die individuelle Toleranzgrenze herauszufinden und um die personalisierte Langzeiternährung feststellen zu können. Es ist wichtig, nicht bei der Karenzphase stehen zu bleiben,“ betont Petra Handorfer.
Kooperation der Österreichischen Lungenunion und des Qualitätszirkel Allergologie:
Der Qualitätszirkel Allergologie unterstützt die Österreichische Lungenunion mit professioneller Fachkenntnis beim Thema Ernährung, steht für Informationsveranstaltungen zur Verfügung und beantwortet Fragen von Patient:innen direkt. Speziell bei Erkrankungen kann es nötig sein, sich an den richtigen Ernährungsplan zu halten. Diesbezügliche Fragen an den Qualitätszirkel Allergologie können gerne an die Österreichische Lungenunion unter office@lungenunion.at gerichtet werden. Wir werden diese weiterleiten an eine Diätologin und professionell beantworten lassen.
Service-Link
Webinar der Österreichischen Lungenunion, September 2023