OÄ Dr. Cornelia Gattringer, Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Medizinische Universität Innsbruck, klärt über Mythen rund um Allergien und rund um die spezifische Immuntherapie auf.
„Hornissenstiche sind gefährlicher“
Es ist tatsächlich so, dass die Stiche von Hornissen schmerzhafter sind als die Stiche von Bienen oder Wespen. Das liegt aber nicht daran, dass das Gift allergischer oder allergener ist, sondern daran, dass das Hornissengift mehr von der Substanz beinhaltet, die die Schmerzen verursachen.
“Stiche im Kopf- und Halsbereich sind ein Risikofaktor für schwere Reaktionen”
Das stimmt nicht. Die Stichstelle ist kein Marker dafür, ob eine allergische Reaktion entsteht oder nicht. Was man aber schon sagen kann, ist, dass Stiche im Kopf- und Halsbereich – bedingt durch die normale lokale Reaktion, die auftritt – durch die Rötung oder Schwellung oft zu unangenehmen Situationen führen kann. Wenn zum Beispiel eine Wespe in die Zunge sticht, kann es durch die Zungenschwellung natürlich zu Schluckbeschwerden und im schlimmsten Fall auch zu Atemnot kommen. Das ist aber keine Allergie, und es besteht keine Notwendigkeit dafür, eine Hyposensibilisierung zu machen.
“Eine Insektengiftallergie lässt sich durch einen Bluttest oder Hauttest nachweisen”
Das ist es mir wichtig zu sagen, das gilt für jede Allergie: Ein Hauttest oder ein Bluttest allein ist nicht ausreichend für eine korrekte Diagnose. Es braucht auch klinische Symptome wie Ausschlag oder Luftnot. Erst dann kann in Zusammenschau mit einem positiven Haut- oder Bluttest eine Allergie bestätigt werden.
“Ich bin zu alt für eine Hyposensibilisierung”
Da hat sich das Blatt gewandelt. Früher hat man tatsächlich ab einem gewissen Alter die spezifische Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung, Allergieimpfung genannt, nur beschränkt eingesetzt. Heute weiß man, dass auch Patienten im fortgeschrittenen Alter hyposensibilisiert werden können. Das ist vor allem bei einer Insektengiftallergie wichtig. Wir wissen auch, dass mit dem Alter das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Zudem sind diese ein Risikomarker für schwere allergische Symptome. Das heißt, Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und einer nachgewiesenen Insektengiftallergie sollen auch im fortgeschrittenen Alter hyposensibilisiert werden.
“Blutdrucksenkende Medikamente wie Betablocker und ACE-Hemmer sind bei der spezifischen Immuntherapie kontraindiziert”
Hier ist es ähnlich. Früher war man der Meinung Betablocker und ACE-Hemmer müssen im Rahmen einer spezifischen Immuntherapie abgesetzt oder umgestellt werden. Heute weiß man, dass das nicht notwendig ist.
“Eine Therapie gegen eine Allergie verstärkt die Symptome einer anderen Allergie”
Das ist zum Glück nicht so. Wir wissen, dass durch eine spezifische Immuntherapie eine Neusensibiliserung auf andere Allergien verhindert werden kann. Das heißt, eine zusätzliche Allergie kann verhindert werden. Zum Beispiel kann bei einem Patienten, der auf Birkenpollen allergisch ist, verhindert werden, dass er irgendwann zusätzlich auf Gräserpollen allergisch reagiert. Oder zum Beispiel ein Patient, der ebenfalls allergisch ist auf Birkenpollen mit einer Kreuzreaktion auf Lebensmittel – da kann verhindert werden, dass sich die Kreuzreaktion auf andere Lebensmittel ausweitet.
”Medikamente gegen Heuschnupfen machen müde”
Das war früher tatsächlich der Fall. Die alten Antihistaminika, wie man sie nennt, haben müde gemacht. Das geht so weit, dass sie heutzutage sogar als schlafunterstützende Medikamente eingesetzt werden. Die neuen Antihistaminika machen nicht mehr oder in einem sehr geringen Ausmaß müde.
”Der Klimawandel macht es schlimmer”
Ja, das stimmt. Durch den Klimawandel blühen die Bäume und Gräser länger und früher, das heißt, die Blütezeit ist insgesamt verlängert, und es sind viel mehr Pollen in der Luft. Noch dazu weiß man, dass durch die Luftverschmutzung, den Feinstaub und die Stickoxide die Pollen aggressiver werden und leichter Allergien verursachen.